29.02.2024 | Beratungspraxis

Riester-Rentenvertrag zur Tilgung geerbter Schulden verwendbar

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Von RAin Susanne Christ, Fachanwältin für Steuerrecht

Das FG Berlin-Brandenburg hat aktuell entschieden, dass das in einem Altersvorsorgevertrag angesammelte Kapital auch zur Tilgung eines geerbten Darlehens verwendet werden darf, wenn dieses Darlehen zur Finanzierung einer ebenfalls im Nachlass befindlichen Immobilie unmittelbar verwendet wurde. Auch wenn die Entscheidung durch die eingelegte Revision noch nicht rechtskräftig ist, sollte auf sie in entsprechenden Erbfällen unbedingt – auch zur Vermeidung von Haftungsrisiken – hingewiesen werden.

Der Witwer im vorliegenden Fall will das sich im Nachlass befindende Darlehen durch sein angesammeltes Riester-Kapital tilgen. Die Deutsche Rentenversicherung lehnt dies ab. (Foto: © iStock.com/insta_photos)

Die Deutsche Rentenversicherung, die diese Auszahlung nach § 92 b EStG bewilligen musste, war anderer Meinung, weil sie der Auffassung war, die Voraussetzungen für die Verwendung von Kapital aus Altersvorsorgeverträgen (sog. Riester-Rentenvertrag) für selbst genutzte Wohnungen nach § 92a ff. EStG seien nicht erfüllt, wenn das Darlehen und die Wohnung lediglich durch Erbfolge erworben werden.

Zum Fall (vereinfacht):

Ein Ehemann erbte als Alleinerbe von seiner Frau die zuvor gemeinsam bewohnte Wohnung der Ehefrau. Beim Erwerb der Wohnung hatte die Ehefrau u.a. ein Darlehen aufgenommen und dieses später einmal umgeschuldet. Nach ihrem Tod wollte der Witwer das sich im Nachlass befindende Darlehen durch sein in einem Altersvorsorgevertrag angesammelte Kapital tilgen und stellte einen entsprechenden Antrag nach § 92 b EStG auf Bewilligung der Auszahlung des entsprechenden Kapitals aus seinem Altersvorsorgevertrag. Dieser wurde von der Deutschen Rentenversicherung abgelehnt. Zu Unrecht, wie das FG Berlin-Brandenburg entschied.

Als Gesamtrechtsnachfolger seiner Ehefrau trete der Ehemann vollumfänglich in die Rechtsposition seiner verstorbenen Ehefrau ein. Hätte die Ehefrau einen solchen Antrag bei einem von ihr abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag gestellt, wäre er bewilligt worden, da die Voraussetzungen dafür bei ihr vorgelegen hätten. Da der Ehemann in ihre Rechtsposition als Gesamtrechtsnachfolger eintritt, muss auch ihm erlaubt werden, Kapital aus einem Altersvorsorgevertrag zur Tilgung des geerbten Darlehens verwenden zu dürfen.

Das FG Berlin-Brandenburg hat ausführlich dargelegt, dass sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinn und Zweck der Regelungen im EStG ihre Anwendung im Erbfall geboten ist. Deshalb ist zu erwarten, dass diese Entscheidung vom BFH bestätigt wird, der sich durch die von der Deutschen Rentenversicherung eingelegten Revision nunmehr mit der Frage zu befassen hat.

Voraussetzungen:

Die Verwendung von angespartem Kapital aus einem Altersvorsorgevertrag ist nach § 92 b EStG zu bewilligen, wenn insbesondere folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Antrag auf Verwendung des Kapitals für eine selbst genutzte Wohnung muss spätestens zehn Monate vor dem Beginn der Auszahlungsphase gestellt werden;
  • das für die Tilgung entnommene Kapital muss mindestens 3.000 EUR betragen;
  • Kosten müssen unmittelbar für Kauf/Herstellung einer Wohnung oder eines Wohnrechtes nach § 33 WEG vor Beginn der Auszahlungsphase entstanden sein, d.h. bei Fremdfinanzierung muss das Darlehen unmittelbar zum Kauf oder der Herstellung der Immobilie verwendet worden sein (eine spätere Umschuldung ist grundsätzlich unschädlich);
  • Wohnung muss Hauptwohnung oder Mittelpunkt des Lebensinteresses der antragstellenden Person sein.

Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg ist es unschädlich, wenn auf die antragstellende Person die Immobilie und das Darlehen im Wege der Erbfolge übergehen. Durch die in § 1922 BGB angeordnete Universalsukzession tritt die erbende Person (hier: Ehemann) automatisch in vollem Umfang in die Rechtsstellung der verstorbenen Person (hier: Ehefrau) ein und kann somit die Ansprüche aus dem eigenen Riestervertrag in derselben Weise geltend machen wie die verstorbene Person.

Achtung! Sanierungen, Modernisierungen oder andere Umbaumaßnahmen berechtigten grundsätzlich nicht zum sog. Wohn-Riestern. Ausnahmen gelten zur Herstellung von barrierefreiem Wohnraum und seit 1.1.2024 auch bei energetischen Sanierungen. Hier gelten allerdings höhere Mindestentnahmesummen als beim Kauf oder der Herstellung einer Wohnung.

Praxishinweise:

Auch wenn die Entscheidung durch die eingelegte Revision noch nicht rechtskräftig ist, sollte auf sie in entsprechenden Erbfällen unbedingt – auch zur Vermeidung von Haftungsrisiken – hingewiesen werden. Denn die Verzinsung von Riesterverträgen ist in der Regel nicht günstig. Somit kann es im Einzelfall sinnvoll sein, das in einem Riestervertrag angesammelte Kapital bereits jetzt zur Tilgung eines Darlehens nutzen zu können und auf die Auszahlung einer entsprechenden (ggf. schlecht verzinsten) Rente ganz oder teilweise zu verzichten.

Da der Antrag auf Auszahlung aber spätestens zehn Monate vor Beginn der Auszahlungsphase gestellt werden muss, kann durch längeres Abwarten, etwa bis zur Entscheidung des BFH, die Berechtigung, einen solchen Antrag zu stellen, verloren gehen. Hier lauert eine Haftungsfalle. Die Mandantschaft sollte auf diese Zusammenhänge in Erbfällen hingewiesen werden. Erst recht, wenn durch die Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen bekannt ist, dass ein Riestervertrag besteht.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2023 (Az. 15 K 15045/23); Az. beim BFH: X R 2/24.


Autorin:

Susanne ChristSusanne Christ ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht mit eigener Steuer- und Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit Juni 2023 ist sie Sprecherin des Erbrechtsausschusses beim Kölner Anwaltsverein. Daneben ist sie langjährige Fachautorin der Haufe Mediengruppe und bei STB Web sowie Dozentin in den Bereichen Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftssteuer. Außerdem ist sie Mitautorin des Kommentars „Nachfolgebesteuerung“ (Schmid, Hrsg.), der 2019 im Nomos Verlag erschienen ist. E-Mail: s.christ@netcologne.de