23.02.2024 | Steuerberaterhaftung

Eine Steuerermäßigung und ihre Folgen

Über eine vom Finanzamt eigenmächtig gewährte Steuerermäßigung freut sich jeder, sollte man meinen. Manche Ermäßigungen können allerdings nur einmal im Leben geltend gemacht werden und sind dann für später verbraucht. Hierüber muss ein Steuerberater aufklären.

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(Foto: © iStock.com/diego_cervo)

Ein Steuerberater prüfte für einen Mandanten einen Steuerbescheid, wonach dieser Steuern nachzahlen sollte. Das Finanzamt hatte einen speziellen ermäßigten Steuersatz im Bereich der außerordentlichen Einkünfte (§ 34 Abs. 3 EStG) angewendet, der nur einmal im Leben genutzt werden kann. Allerdings hatte der Mandant diesen speziellen Steuersatz gar nicht beantragt. Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen den Bescheid vorzugehen, da sonst eine noch höhere Nachzahlung drohe. Der Mandant folgte diesem Rat. Zehn Jahre später beantragte der Mandant diesen ermäßigten Steuersatz, aber das Finanzamt lehnte ab. Dieser Steuersatz könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg, der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht des Finanzamts (Az. VIII R 2/19).

Eindeutige gesetzliche Regelung

Vor dem Landgericht Lübeck verlangte der Mandant nun von dem Steuerberater Schadensersatz. Der Steuerberater hätte ihm empfehlen müssen, gegen den Bescheid vorzugehen. Der Steuerberater hingegen argumentierte, er habe nicht wissen können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht ist, wenn dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu noch nicht gegeben.

Rund 220.000 Euro Schadensersatz

Das Gericht gab dem Mandanten recht. Der Steuerberater habe den Mandanten darauf hinweisen müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht werden kann. Das Gesetz regele dies eindeutig. Wegen dieser klaren Regelung habe der Steuerberater über die Gefahr aufklären müssen, dass die Vergünstigung später verbraucht sein könnte, auch wenn sie gar nicht beantragt war. Da er dies versäumt habe, müsse er dem Mandanten den Schaden von rund 220.000 Euro ersetzen.

Das Urteil vom 11.1.2024 (Az. 15 O 72/23) ist nicht rechtskräftig.

(LG Lübeck / STB Web)